Aus dem Kurs: Storytelling für Vertrieb und Verkauf – Praxistipps

Das Aufmerksamkeitsdilemma

Das Aufmerksamkeitsdilemma. Kunden, seien wir ehrlich, sind schlechte Zuhörer. Sie zeigen oft wenig Aufmerksamkeit oder gar Begeisterung für unsere Themen und Produkte. Sie konzentrieren sich nicht und lassen sich schnell ablenken. Aber auch Verkäufer und Verkäuferinnen sind nicht immer gleich aufmerksam. Wenn man sich ansieht, wie die Aufmerksamkeitskurve in einem Kundengespräch verläuft, also, wie konzentriert Verkäufer und Käuferin während eines Gespräches sind, werden Sie schockiert sein. Denn die Konzentration der beiden läuft extrem unterschiedlich – noch schlimmer, sie läuft gegenläufig. Was meine ich damit? Am Anfang eines Verkaufsgespräches sind Sie als Verkäufer motiviert. Aber Sie brauchen vielleicht eine Weile, um sich warmzureden. Ihre Konzentration ist noch niedrig, steigt aber merklich an, wenn Sie zur Präsentation Ihres Produktes kommen. Das ist der Höhepunkt des Verkaufsgesprächs. Alles davor war ja nur Vorrede. Wenn Sie das Produkt dann präsentiert haben und alle Argumente abgefeuert, sackt Ihre Aufmerksamkeitskurve wieder nach unten. Sie haben Ihr Pulver verschossen, jetzt kommen nur noch Details. Am Ende entspannen Sie sich, Ihre Aufmerksamkeitskurve flacht ab. So sieht das in einem klassischen Verkaufsgespräch aufseiten der Verkäufer aus. Wie aber sieht es beim Kunden aus? Dort steht die Konzentration am Anfang auf ziemlich hohem Niveau. In der Anfangsphase sind Kunden extrem konzentriert und wachsam. Das Gespräch hat gerade erst begonnen, der Kunde ist noch frisch bei der Sache. Vielleicht ist er tatsächlich interessiert, vielleicht aber auch alarmiert und skeptisch, denn er weiß, dass er gerade in ein Verkaufsgespräch verwickelt wird. Je länger das Gespräch dauert, umso entspannter, man könnte auch sagen, umso unaufmerksamer wird Ihr Gegenüber. Wenn Rezipienten nicht aktiv in ein Gespräch eingebunden sind, fällt es Zuhörern oft schwer, konzentriert bei der Sache zu bleiben. Jetzt nehmen die Blicke aufs Handy zu, die Gedanken schweifen ab, die Konzentration sinkt. Am Ende steigt deren Konzentration jedoch wieder an, denn der Kunde bereitet sich auf den Abschluss des Gespräches vor. Entweder überlegt er, wie er sich elegant verabschieden kann oder aber welche Fragen noch wichtig sind. Merken Sie was? Die beiden Kurven laufen nicht parallel, im Gegenteil, sie laufen gegenläufig. Während die Aufmerksamkeitskurve des Verkäufers einem Bogen gleicht, der in der Mitte seinen höchsten Punkt an Konzentration hat, so verläuft die Kurve des Kunden genau umgekehrt. Sie gleicht eher einem U, das in der Mitte seinen Tiefpunkt hat. Die Konzentration lässt beim Kunden also genau an dem Punkt nach, an dem ein Verkäufer oft zum Höhepunkt im Gespräch kommt. Kommunikationswissenschaftler nennen dies das Aufmerksamkeitsdilemma. Der Punkt, der für den Redner den Höhepunkt bedeutet, wo die wichtigsten Aspekte präsentiert werden, das ist leider beim Kunden der Low Point an Aufmerksamkeit. Sind Kunden also tatsächlich schlechte Zuhörer oder sind wir schlechte Erzähler, weil wir das Gespräch falsch strukturieren? Wenn Sie einen guten Grund suchen, um Storytelling professionell im Verkaufsgespräch anzuwenden, dann ist das Aufmerksamkeitsdilemma einer der besten Gründe. Denn Sie haben drei Möglichkeiten, um mit Storys hier etwas entgegenzusetzen. Sie können ganz bewusst am Höhepunkt Ihrer Präsentation eine spannende Geschichte einbauen, dass Ihr Kunde gar nicht anders kann, als aufmerksam zuzuhören. Oder Sie bauen immer wieder kleine Storys ein, um Ihren Kunden laufend interessiert zu halten. Oder aber, dritte Möglichkeit, Sie strukturieren das ganze Verkaufsgespräch, Ihre gesamte Präsentation als interaktive Story, bieten immer wieder kleine Storyhäppchen und binden Ihren Kunden mit Rücksprachen, Feedback und sog. Buy-ins in die Geschichte aktiv ein. Welche Variante Sie auch immer nehmen, gegen das Aufmerksamkeitsdilemma ist ein Kraut gewachsen – und es heißt Storytelling.

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